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Politik, Geschichte & Psychologie
A matter of taste – wie kommt der Dialektik der Hure:
Geschmack in unser Essen? Von der „Prostitution“ zur
„Sex–Arbeit“
(c) privat
Obst, Gemüse, Gewürze erkennen wir mit ge- (c) privat
schlossenen Augen. Aber wie entstehen diese
Eigenschaften? Welche chemischen Verbin- Die Hure istjin den Worten Walter Benjamins
dungen stecken dahinter? Für Farbe, Duft und »Verkäuferin und Ware in einem«. Sie verding-
Geschmack in unserem Essen sind pflanzliche licht sich zum käuflichen Objekt und bleibt doch
Sekundärstoffe verantwortlich. Carotine sorgen unverfügbares Subjekt. Bis in die Debatten der
zum Beispiel dafür, dass Möhren orange aus- aufgeklärten Gegenwart erscheint sie zugleich
sehen. Furaneol ist für das Erdbeeraroma zu- als preisgegebenes Opfer und arbeitsscheue
ständig und Valencen für den Geschmack einer Betrügerin. Die Prostitution zeigt sich als un-
Orange. Auch die Wirkung von Arzneipflanzen verzichtbare Einrichtung und zu bekämpfendes
wie Ingwer, Salbei und Kamille geht auf Sekun- Übel. Wie sehr das auch mit dem bürgerlichen
därstoffe zurück. Anbauflächen werden aller- Blick auf Frauen und ihre Körper zu tun hat, der
dings immer knapper und die Bewässerung von zu jeder Zeit Kontrolle und Voyeurismus, Dis-
Pflanzen in vielen Erdregionen immer schwieri- tanz und Neugier gleichermaßen ist, untersucht
ger durch den Klimawandel. Hier kommen die Theodora Becker in dem Vortrag und fragt nach
Mikroalgen ins Spiel, ein Rohstoff für die Zu- der Ambivalenz der sexuellen Ware, die diesen
kunft. Sie können sich extrem gut anpassen, Zuschreibungen und Umgangsweisen zugrunde
gedeihen in Salzwasser und sind wie Pflanzen in liegt. Dabei verfolgt sie anhand der Prostitution
der Lage Kohlendioxid zu fixieren und in Zucker den Zusammenhang von Subjektivität, Sexua-
und Sauerstoff umzusetzen. lität, Warenform und Arbeit in der bürgerlichen
Ilka Axmann ist Professorin für Synthetische Gesellschaft, sowie seine Wandlungen seit dem
Mikrobiologie und trainiert Mikroalgen darauf, 19. Jahrhundert.
pflanzliche Aromen und Farbstoffe anzuneh- Dr. Theodora Becker studierte Philosophie, Poli-
men. tik- und Kulturwissenschaften und lebt in Berlin.
Prof. Dr. Ilka Axmann Dr. Theodora Becker
Donnerstag, 10.04.2025, 19.30 bis 21 Uhr Sonntag, 27.04.2025, 19.30 bis 21 Uhr
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